Geschichte der Siedlung

Geschichte der Sauerbrunnensiedlung

Als ein gutes und lebhaftes Beispiel zum Thema "Brücken schlagen",

kann die Entstehung und Entwicklung der Sauerbrunnensiedlung,

hier im Westen Crailsheims, betrachtet werden.

 

Allein schon wegen der Vielfalt der Herkunft der Siedlungsbewohner,  wie sie zusammenstanden und so diesem Stadtteil seine besondere Note gaben, ist ein bewundernswertes Beispiel für "Brücken bauen".

Denn nach einer Umfrage von 1986 waren von den Erst-Bewohnern:

Nur 18 % der Bewohner Einheimische bzw. Nichtvertriebene, der überwiegende Anteil von 82 % setzte sich zusammen aus Vertriebenen und Flüchtlingen aus:

 

Sudetenland: 29 %

Ungarn: 14 %

Bessarabien: 7 %

Jugoslawien: 6 %

Südmähren: 5 %

Banat: 5 %

Danzig-Westpreußen: 4 %

Schlesien: 4 %

Ostpreußen: 3 %

Pommern: 2 %

Bukowina: 2 %

Es begann am 7. Juli 1951, als die ersten Bewohner in ihre neuerbauten Häuser hier einzogen. Im gleichen Jahr wurde das katholische Vikariat "Zur Allerheiligsten Dreifaltigkeit" (damals noch im Fliegerhorst) gegründet und 10 Jahre später folgte die Grundsteinlegung der Christuskirche.

 

"Korea-Siedlung", "Saubachsiedlung", "Nebenerwerbssiedlung" und schließlich: "Sau­erbrunnensiedlung" - man merkt an

den "liebevollen" Namen, welch Ansehen dieser Stadtteil ursprünglich bei der Crailsheimer Bevölkerung hatte.

Klar, man war nach dem Krieg sehr skeptisch allem Neuen gegenüber, zuviel hatten auch die Einheimischen mit­gemacht,

als dass sie die Neuankömmlinge mit offenen Armen aufgenommen hätten. Vielleicht war man ganz froh darüber, dass die Flüchtlinge auf dem Hügel neben dem alten Fliegerhorst - etwas abseits - angesiedelt wurden.

Man merkt aber auch an den Varianten der Namensgebung das Ansteigen der Achtung, die sich dieser Stadtteil im Laufe der Jahre errungen hat. Heute fällt wohl niemandem mehr ein, von diesem schö­nen Stadtteil abfällig zu reden.

Im Gegenteil: wir haben bewiesen, dass es nicht auf eine althergebrachte Ordnung ankommt und auf vorhandene wirtschaftliche Güter.

 

In sich geschlossen liegt sie da, auf einem erhobenen Fleck Erde, streng begrenzt durch ihre Bauweise. Vier Straßen quer zur Haller Straße und zwei Längsstraßen umfasst sie, dazu den Spielplatz, den Bolzplatz und die Gartengrundstücke.

Letztere wurden nun 2018 als neues Baugebiet zur Erweiterung der Sauerbrunnensiedlung aus-gewiesen.

Mehrere Jahrzehnte war die Siedlung von zwei Seiten eingegrenzt durch die Areale der US-Streitkräfte und des Bundeswehr-Gerätedepots.

 

Es war für die damalige Zeit, nach dem großen Zusammenbruch und kurz nach der Währungsreform, für die damals noch junge Bundesrepublik Deutschland und das neu gebildete Bundesland Baden-Württemberg, wahrlich keine leichte Arbeit, den zigtausen­den von Heimatvertriebenen aus allen Teilen des europäischen Ostens und den Ausge­bombten eine neue Bleibe zu schaffen. Wir können heute nur dankbar sein all denen, die sich in dieser Zeit der tiefen Verantwortung für unsere Heimatvertriebenen und Flüchtlinge bewusst waren.

Am Anfang war der Erwerb eines Siedlungshauses nicht nur mit einem finan­ziellen Kraftakt verbunden, sondern mit körperlicher Eigenleistung.

Vielleicht war es diese Tatsache, dass heute jeder so mit seiner Siedlung verbunden ist. Dieser Geist der Eigenleistung hat sich bis in unsere heutige Zeit erhalten.


Als ein gutes und lebhaftes Beispiel zum Thema "Brücken schlagen",

kann die Entstehung und Entwicklung der Sauerbrunnensiedlung,

hier im Westen Crailsheims, betrachtet werden.

Der 1. Bauabschnitt wurde am 19. Juni 1950 unter der Leitung des Architekten Koch, dem Architekten dieser ganzen Siedlung schlechthin, begonnen. Er umfasste die Rei­henhäuser in "Hüft-stockbauweise" der Daimler-, Bosch-, Max-Eyth-, Diesel- und Friedrich-List-Straße, zusam­men 68 Stellen.

 

Nebenbei bemerkt: schon bei der Namengebung sieht man die Verbundenheit zur neuen Heimat und mit den "Einheimischen", wählte man doch Namen von Persönlich­keiten aus Württemberg, aus der neuen Heimat.

 

Diese Häuser, zu denen die künftigen Eigentümer noch jeweils 250 Arbeitsstunden Ei­genleistung erbringen mussten, wurden nach Fertigstellung der Rohbauten im Mai 1951 im Gasthaus "Drei König" verlost. Ab Juli 1951 waren die ersten Häuser bezugsfertig.

 

Im März 1954 wurde mit dem zweiten Bauabschnitt begonnen. Er umfasste die Einzel­häuser rechts der Friedrich-List-Straße bis zur Ecke Dieselstraße, die Doppelhäuser rechts der Daimlerstraße und ein Doppelhaus in der Dieselstraße. Kurz vor Weihnachten 1954 waren diese für weitere Familien zur neuen Heimat gewor­den.

Bislang gab es keine geteerten Straßen und keine Straßenbeleuchtung.

Erst im Jahr 1955 erhielten die Straßen der Siedlung einen Asphaltbelag. Die Zufahrt zur Siedlung führte noch über einen steilen, schlammigen Weg von der Haller Straße herauf, über das heutige Gelände der

Firma Kilzer - heute Firma Mulfinger - , zur Höhe der Max-Eyth-Straße.

Die Frauen packten sich damals oft ein zweites Paar Schuhe ein und wechselten sie unten an der Straße. Wenn man in der Stadt jemand mit lehmigen Schuhen sah, wusste man: ein "Saubächler".

Auch konnte man bis dahin mit dem oft spärlichen Mobiliar und ein paar Kisten nur mit einem geländegängigen Möbel-wagen und bei gutem Wetter einziehen.

Gehabt hat ohnehin keiner was. Das war die Grundlage für das besondere Zusammen­gehörigkeitsgefühl - dies hat bis heute gehalten.

 

Am 7.11.1955 begann man mit dem Bau eines dritten Abschnitts, dem Ladengeschäft Mattes, später Edeka-Markt Kreil, samt Wohnhaus. Das Ladengeschäft eröffnete im Juli 1956, wurde in den 60er Jahren erweitert und gehört heute bereits der Vergangenheit an.

Mit dem vierten Bauabschnitt wurde am 2. Juli 1956 begonnen. Nach dem Bezug im Juli 1957 war die Siedlung durch die Einzel- und Doppelhäuser in der oberen Schleife der Friedrich-List-Straße um 24 Stellen vergrößert worden.

 

Durch den fünften und sechsten Bauabschnitt wurden ab November 1957 ein Ladenge­schäft mit Metzgerei und Wohnhaus der Familie Präger und eine Bäckerei mit Gastwirt­schaft der Familie Frank samt Wohnhaus errichtet, die ab Spätsommer 1958 bezugs­fertig bzw. in Betrieb waren. Übriggeblieben war lange nur die Gaststätte „Frankeneck“.

 

Mit einem siebten Bauabschnitt ab April 1961, dessen 14 Stellen ab November fertigge­stellt waren, erhielt die Sauer-brunnensiedlung ihre endgültige Ausdehnung. Es waren die Häuser in der Dieselstraße, gegenüber dem Spielplatz und links der Brunnenstraße. Somit war die Siedlung mit 139 Stellen zur Heimat von rund 1200 Einwohnern geworden.

 

Der Stadtteil westlich der Brunnenstraße wurde von der Württembergischen Landsied­lung als sogenannte "Neben-erwerbssiedlung" erbaut. Jede "Siedlerstelle" musste mit einem Stall ausgestattet sein, um Haustiere, z. B. Schweine, Ziegen, Schafe, wenig­stens jedoch Hühner, zu halten. Anfangs waren die Ställe sogar in die Reihenhäuser integriert, bei den späteren Bauabschnitten wurden die typischen Fertigbauten separat im relativ großen Gartenbereich aufgestellt.

Die Verbindung "Garten und Haustiere" brachte natürlich auch eine besondere Bindung an den schon bestehenden Verein der Gartenfreunde Crailsheim mit sich.

So entstand schon sehr früh als "Tochter" dieses Vereins die Interessengemeinschaft Sauerbrunnen, die spätere "Siedlungsgemeinschaft Sauerbrunnen".  

Diese Siedlungsgemeinschaft wurde zum Mittelpunkt und Initiator zahlreicher gemeinschaftlicher Projekte bis in die heutige Zeit. Sie dürfte somit die älteste stadtteilbezogene Bürgergemeinschaft Crailsheims sein.

In der Siedlerversammlung am 27. April 1957 im Gasthaus "Deutscher Kaiser" wurde vom damaligen Siedlungsobmann Gerhard Koch vorgeschlagen, einen Sportplatz auf dem Siedlungsgelände zu erstellen.

Es wurde beschlossen, dass pro Siedlungshaus ein einmaliger Unkostenbeitrag von 10 DM zu zahlen ist.

So kamen 1058 DM zusammen. Die Stadt Crailsheim spendierte 531 DM. Die Württembergische Landsiedlung stellte das Gelände kostenlos zur Verfügung. So wurde neben einem Sportplatz hinter den Häusern der oberen Friedrich-List-Straße noch ein Kinderspielplatz am Transformato­renhaus an der damaligen Sauerbrunnenstraße / heute Brunnenstraße errichtet.

Die Herrichtung des Platzes erfolgte überwiegend in Eigenleistung. Auch die Spielgeräte wurden unter Verwendung von Altteilen in Eigenleistung gebaut.

So entstand z. B. ein Karussell aus einer alten Autoachse, Schaukeln, Rutschen und Klettertürme.

Am 6. Juli 1957 wurde mit der Erstellung begonnen.

 

Am Samstagabend dem 31. August fand ein Fackelzug mit rund 300 Teilnehmern, überwiegend Kinder, durch die Straßen der Siedlung statt und am folgenden Sonntag, dem 1. September fand unter Anwesenheit des stellvertretenden Bürgermeisters der Stadt (Konditormeister Frank) die Eröffnungsfeier statt.

Dieser Spielplatz war der erste sei­ner Art im Stadtgebiet von Crailsheim.


Zum zehnjährigen Bestehen des ersten Bauabschnitts und gleichzeitig zum Richtfest des 7. Abschnitts wurde im Sommer 1961 das erste Siedlerfest gefeiert.

Bis 1976 wurde es alle 5 Jahre als dreitägiges Volksfest auf dem Sport-platz oder den noch unbebauten Flächen an der Brunnenstraße mit Bierzelt und Musik begangen.

 

Seit 1981 hat man das schon länger jährlich stattfindende Kinderfest auf dem Spielplatz erweitert und mit dem Siedlerfest verbunden.

Somit wird jeden Sommer gemeinsam mit Siedlern und Gästen ein Wochenende lang gefeiert.

 

Ab Anfang der 60er Jahre wurde, sozusagen als Brücke zur Innenstadt, die Freifläche zwischen den Kalkäckern bzw. der Haller Straße und der bis dahin relativ abseits lie­genden Sauerbrunnen-Siedlung nach und nach bebaut.

Es entstand ein größerer neuer Stadtteil westlich der Jagst, zwischen Haller Straße und Fliegerhorst.

 

So wurden in unmittelbarer Nachbarschaft zur Siedlung die 

evangelische Christuskirche (1963), die katholische

Kirche "Zur Allerheiligsten Dreifaltigkeit" (1964) und die Eichen-dorffschule (1964/65) gebaut und eingeweiht.

Die Sauerbrunnensiedlung liegt seitdem nicht mehr abseits.

 

Viele der Erstbewohner sind verstorben oder zu ihren Kindern in andere Stadtteile und Orte gezogen. Es kamen neue Bewohner, wiederum gemischt von hier und aus anderen Orten und Ländern, hinzu.


Ihren eigenen Charakter und ihre Traditionen hat die Sied­lung behalten. Das Zusammengehörigkeitsgefühl, nun auch schon übergegriffen auf die inzwischen nicht mehr ganz so neuen Nachbarn, blieb erhalten.

Im Jahr 1993 wurde auf dem neu gestalteten Platz vor dem Franken-eck und dem damaligen Edeka-Markt Kreil ein Brunnen mit der Figur einer Kleingärtnerfamilie geschaffen. Er soll das Lebens- und Zusammengehörigkeitsgefühl dieses Stadtteils symbolisieren und die nachfolgenden Ge­neration an die Entstehung erinnern

 

(Zusammengestellt von Ernst Hübner nach Dokumentationen von Simon Lutz und Hermann Lottje im Juni 2018)